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Jesidentum Tahli Burunacik

Um ein guter Mensch zu sein, musst du kein Êzîde sein

Ich bin in Twistringen geboren, im Landkreis Diepholz, groß geworden bin ich in Cloppenburg. Meine Eltern sind Mitte der 80er Jahre aus der Türkei nach Deutschland gekommen, weil sie eine bessere Zukunft wollten, ein Leben ohne Angst und in Freiheit. Ich selbst war leider noch nicht im Dorf meiner Eltern. Ich war überhaupt nur einmal in der Türkei, zum Urlaub machen wie andere Leute auch.

Êzîdin wird man durch Geburt und nur durch Geburt. Wenn beide Eltern Êzîden sind und aus derselben Kaste stammen, dann ist man Êzîde oder Êzîdin. Man kann zum Êzîdentum nicht übertreten.

Foto: Patrice Kunte

Was ich am Êzîdentum besonders mag? Wir sind eine große Gemeinschaft, wir feiern zusammen Feste und Rituale. Das gibt mir Geborgenheit und Rückhalt.

Ich weiß, wohin ich gehöre. Selbst für mich, die ich hier geboren und aufgewachsen bin, ist es schwierig, mich hier heimisch zu fühlen. Richtig heimisch fühle ich mich mit meiner Familie und unseren Festen.

Foto: Patrice Kunte

Ich war auf einer katholischen Bekenntnisschule und hatte dort katholischen Religionsunterricht. Reli war eins meiner Lieblingsfächer. Das gehört für mich zur Allgemeinbildung. Ich finde es traurig, wenn die Leute nicht mehr wissen, warum Weihnachten gefeiert wird.

Leben in Niedersachsen bedeutet für mich, und das merke ich erst jetzt so mit dem Alter: Was für ein riesen Glück ich gehabt habe, dass meine Eltern sich damals für Deutschland entschieden haben! Welche Chancen wir haben in Deutschland, allein das Bildungssystem.

Was ich mir wünsche? Dass man gesellschaftliche Probleme nicht unter dem Deckmantel der Religion versteckt, zum Beispiel Ehrenmorde oder so. Damit diffamiert man die Religion. Auch unsere Religion sagt: Du sollst nicht töten.

Foto: Patrice Kunte

Ich wünsche mir, dass man uns als Teil dieser Gesellschaft akzeptiert. Wir gehören genauso zu Deutschland wie jeder andere auch.