Die Idee

Eine multireligiöse Gesellschaft

Vor vier Jahrzehnten war man in Niedersachsen entweder evangelisch oder katholisch. Andere Religionsgemeinschaften gab es kaum. Heute ist Deutschland ein Land, in dem Christen, Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus, Jesiden und viele andere neben- und miteinander leben.

Die Veränderungen, die diese neue Situation mit sich bringt, spüren zuerst die Kinder und Jugendlichen. Schulklassen sind heute fast überall religiös und herkunftskulturell bunt gemischt. Darüber hinaus gibt es in fast jeder Klasse Mädchen und Jungen, die sich keiner Religion zugehörig wissen.

Eine kulturell vielfältige Gesellschaft

Eng mit der religiösen Vielfalt verbunden ist die kulturelle Vielfalt. Denn fast alle jungen Religionsgemeinschaften sind von Menschen gegründet worden, die aus dem Ausland nach Niedersachsen gekommen sind. Juden und Jüdinnen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, Hindus aus Sri Lanka, Buddhisten aus Vietnam, Jesiden aus dem Irak, Orthodoxe Christen aus Russland, freie christliche Kirchen aus Afrika, sunnitische Muslime aus der Türkei, schiitische Muslime aus dem Iran, Aleviten aus der Türkei – um nur die wichtigsten Konfessionen und Herkunftsländer zu nennen.

Sie alle haben ihre Herkunftskultur mitgebracht, und für sie alle stellt sich die Frage, wie sie in Niedersachsen dazugehören können und was das für ihre Herkunftskultur bedeutet.

Die Ausstellung

In der Ausstellung „Religramme – Gesichter der Religionen“ wird die religiöse und kulturelle Vielfalt Niedersachsens für jedermann und jedefrau sicht-, hör- und erfahrbar. Zwanzig Frauen und Männer aus zwanzig Religionsgemeinschaften erzählen, wer sie sind, wo sie herkommen und wie sie leben. Sie antworten auf die Fragen: Was ist Dir wichtig an deiner religiösen Tradition? Wie stehst Du zu Menschen mit anderer Religion? Was bedeutet es für Dich, in Niedersachsen zu leben? Sie geben uns Einblick in ihr privates Umfeld und ihre Gebetshäuser. Sie lassen uns teilhaben an den Klängen und wichtigen Texten ihrer religiösen Tradition.

Die Konfessionen der Porträtierten sind höchst vielfältig. Manche sind ahmadiyya-muslimisch, alevitisch, evangelisch-lutherisch und -reformiert, hinduistisch oder jesidisch. Andere jüdisch, mahayana-buddhistisch, liberal-jüdisch, orthodox- oder charismatisch-christlich. Wieder andere römisch-katholisch, schiitisch- und sunnitisch-islamisch oder theravada-buddhistisch. Sie alle leben und arbeiten in Niedersachsen. Und sie alle respektieren einander. Jeder und jede für sich hat seine und ihre guten Gründe für eine bestimmte religiöse Überzeugung. Und jeder und jede anerkennt, dass es sich bei den übrigen Porträtierten ebenso verhält.

Das Projekt

Veranstalter des inzwischen abgeschlossenen Projekts war die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, vertreten durch das Haus kirchlicher Dienste. Die Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Wolfgang Reinbold (Arbeitsfeld Kirche und Islam), Prof. Dr. Ursula Rudnick (Kirche und Judentum) und Pastor Jürgen Schnare (Östliche Religionen). Die Auswahl der Porträtierten lag bei den beteiligten Religionsgemeinschaften. Gleiches gilt für die Auswahl der Texte aus den religiösen Traditionen und die Auswahl der Klangbeispiele.

Grußwort von Stephan Weil

Niedersächsischer Ministerpräsident

Mit großer Freude habe ich die Schirmherrschaft über eine Ausstellung übernommen, die Porträts von Menschen verschiedenster Religionen und Konfessionen präsentiert. Sie haben sich porträtieren lassen, um stellvertretend ihren Glauben zu repräsentieren und für ihn einzustehen – Juden, Christen, Muslime, Buddhisten oder Hindu in all ihren vielfältigen Konfessionen und eine Jesidin. Und sie stehen für eine plurale Gesellschaft ein, indem sie sich für diese Ausstellung zur Verfügung stellen.

In dieser Wanderausstellung, für die ich dem Träger des Projekts, der Evangelisch- lutherischen Landeskirche Hannover und dem Haus kirchlicher Dienste Hannover ganz herzlich danke, spiegelt sich die Vielfalt religiösen Lebens in Niedersachsen. Niedersachsen ist ein Land, in dem Menschen verschiedenster Religionen und Konfessionen nicht nur leben, sondern – und ich bin froh, dies so betonen zu können – miteinander leben. Die Niedersachsen haben eine großartige Willkommenskultur entwickelt, die auch in Zeiten größter Herausforderungen Hilfe und Integration ermöglicht hat. Viele Jahrhunderte lang war Deutschland eher ein Auswanderungsland, das hat sich im 20. Jahrhundert verändert. Flucht, Vertreibung und Migration haben auch Niedersachsen betroffen, und immer wieder hat gerade auch dieses Land sich in den vergangenen Jahrzehnten um die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten bemüht und verdient gemacht: sei es die gewaltige Leistung der Integration von über einem Viertel aller Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, sei es die Aufnahme der Boat-People aus Vietnam in den 70er Jahren oder der Zuzug der Aussiedler und Spätaussiedler in den 80er und 90er Jahren. Und heute sind wir wieder ganz neuen Anforderungen durch Bürgerkriege, Verfolgung und Massaker in Syrien, Eritrea und vielen anderen Krisengebieten ausgesetzt.

Immer ist die Begegnung von Zuwandernden und Einheimischen zunächst geprägt von dem Eindruck der Fremdheit. Mit den Migranten kamen und kommen andere, oft fremde Traditionen, Kulturen,Konfessionen und Religionen ins Land. Neue und bereits ansässige Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen immer wieder lernen, kompromissbereit und in gegenseitiger Akzeptanz aufeinander zuzugehen und schließlich neue Formen des Zusammenlebens zu finden. Die Religionsgemeinschaften tragen zu der Bewältigung dieser Herausforderungen in einem gewichtigen Maße bei. Die in dieser Ausstellung repräsentierten Gemeinschaften suchen den Kontakt mit anderen, suchen Gemeinschaft und Gemeinsamkeiten bei aller Unterschiedlichkeit und begegnen sich in gegenseitigem Respekt und achtungsvoller Toleranz. Sie alle eint das Wissen um den Wert jedes einzelnen Menschen.

Die Ausstellung ›Religramme – Gesichter der Religionen‹ ist ebenso aktuell wie wichtig. Ich wünsche ihr viele Besucherinnen und Besucher.

Grußwort von Ralf Meister

Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers

Menschen aus Niedersachsen haben sich porträtieren lassen. Sie zeigen Gesicht für ihren Glauben und geben damit Einblick, wie vielfältig und fröhlich religiöses Leben in Niedersachsen ist. Als Christen, Juden, Muslime, als Buddhisten, Hindus und Jesiden sind wir ein lebendiger Teil dieser Vielfalt.

Mit unserem Miteinander können wir einen grundlegenden Beitrag zum gegenseitigen Verständnis und zum friedlichen Miteinander unserer Gesellschaft gestalten, der über die Grenzen des eigenen Landes hinausgeht. Denn die Nöte der Welt gebieten den Dialog zwischen den Religionen, der in unserer Nachbarschaft beginnt.

Ein solcher Dialog kann die Kultur eines Gemeinwesens nachhaltig prägen. Es geht nicht um ein Angleichen von Gesinnung, Lebensauffassung und Glaubenshaltung, sondern um ein Einüben in Toleranz. Ein Dialog, der dem anderen seine Wahrheit nicht abspricht, kann bereichern und zu einer geklärten Eigentümlichkeit verhelfen. Dialogische Ökumene sucht den anderen auf, sie lernt und gibt Zeugnis vom eigenen Glauben. Grußwort

Ich danke allen Verantwortlichen und den Porträtierten im Namen der Evangelischlutherischen Landeskirche Hannovers herzlich für ihr Engagement. Den Besucherinnen und Besuchern der Wanderausstellung und den Nutzern der App wünsche ich ermutigende Einblicke in das vielfältige Leben der Religionen in Niedersachsen.